Jaberlich
Liebe Heimatfreundinnen und Heimatfreunde,
November – das ist der Monat, in den man an unsere Lieben denkt, die uns schon
vorausgegangen sind. Und langsam nähert es sich auch die Adventszeit, was man
leider in den Geschäften schon längst mitbekommen hat. Und so ist es manchmal
besser, wenn man sich eine stille Ecke sucht, wo man nur mit seinen Gedanken
ungestört sein kann.
DENKMAL VOR DEM RATHAUS
Am 9. September wurde vor dem Reichenberger Rathaus ein neues Denkmal enthüllt,
und zwar sogenannte Schlüssel-Skulptur vom bildenden Künstler Jiří David,
Gestalter der unkonventionellen Kunstwerke, von deren man einige in Reichenberg
schon längere Zeit bewundern kann. In Tschechien und Ausland hat der Künstler
großen Widerhall erweckt, dank seinem Herz über der Prager Burg oder Schein
über Rudolfinum. Die Schlüssel-Skulptur, die das ganze Jahr vor dem Rathaus bleibt,
hat die Form des Wortes Revolution (Revoluce). Der erste Buchstabe R ist aus
Zeitung, das E aus Toilettenpapier, v aus Watte, O aus Verpackung des
Kaugummis, L aus Werbung, U aus Tuzex-Anweisung (Bon), C aus Logo des Reisebüros und E aus
der kommunistischen Legitimation. Die Skulptur ist sieben Meter hoch und über
eine Tonne schwer, es wurden dabei mehr als 85.000 Schlüssel der
verschiedensten Form benutzt. Form der Skulptur stellt die persönliche Polemik des Autors mit
der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in der Tschechischen
Republik in den vergangenen zwanzig Jahren nach der Samtrevolution dar.
ERINNERUNGEN AN DIE ENTSCHWINDENE HABSBURKER MONARCHIE
– Als die Arbeiter vor einigen Jahren die Grube für das Kaufhaus Interspar am
Leipziger Platz gegenüber dem alten deutschen Friedhof und ober dem Stadtbad
baggerten, haben sie aus der Erde eine Statue ausgehoben. Nach reinigen wurde
festgestellt, dass es sich um den Kaiser Franz Josef den I. handelt; auch seine
Auszeichnungen wurden dabei. Die Büste wurde zur lebendigen Erinnerung an die
Zeiten Österreich-Ungarn. Eine von den Erinnerungen, die in Reichenberg
geblieben sind. Über das Schicksal der Büste wissen die Historiker nicht viel.
Sie ist bestimmt künstlerisch und historisch wertvoll. Sie wurde für die
Ausstellung im Jahre 1906 ober der Talsperre erzeugt.
– Während der Ersten Tschechischen Republik musste die Büste, so wie alle
Erinnerungen an die Alte Monarchie verschwinden. Reichenberg war in dieser
Hinsicht spezifisch. Die Symbole der Monarchie wurden mit Gefühl vernichtet,
als ob man damit rechnete, dass sie nochmals zurückkommt. Der Beweis dazu sind z.
B. die Aufschriften auf dem Kaiser-Franz-Josef-Bad. Die haben die Arbeiter
vorsichtig in alte Säcke eingewickelt und mit Mauerspeise verputzt. Die
Anschriften wurden erst während der Reparatur der Fassade entdeckt, wurden
renoviert und wieder zurückgebracht.
– Auf seinem Platz, zum Trotz allen Regimen, blieb auch eine weitere Anschrift.
Über dem Eingang in die Gewerbeschule auf der Bayer Straße steht lateinisch:
Viribus unitis (mit vereinigten Kräften). Das war das Geschlechtsstichwort der
Habsburger. Die Schule war so genanntes Flaggenschiff des
Österreich-ungarischen Schulwesens, irgendeine c. k. staatliche Gewerbeschule, die die Handwerker und
Techniker für die entwickelnde Industriestadt heranbilden sollte.
– Spuren von Habsburgern sind im selben Herzen des Reichenberger Rathauses, in
der festlichen Zeremonie- Halle. Links von den Fenstern öffnet die Flügel der
riesige österreichische zweiköpfige Adler. Zusammen mit dem Wappen der Stadt
Reichenberg und tschechischem Staatswappen in der Mitte bildet er ein unikales
Kleeblatt. Damit hat das Reichenberger Rathaus einen Unikat: das Hochzeitspaar
sagt sich das gemeinsame „ja“ unter dem Symbol von Österreich-Ungarn.
– Ein weiteres Andenken am Reichenberger Rathaus ist im zweiten Stock im Gange
auf einer der Vitragen findet man Denkmal eines weiteren Habsburgs, den Sohn
von Maria Theresia, den Kaiser Joseph den II. Er besuchte dreimal Reichenberg
und zu seinem Besuch im Jahre 1799 knüpft sich ein Ereignis: Er veranstaltete
auf dem Clam-Galas-Schloss großartiges Festessen und nachher machte er im
Garten einen Spaziergang. Dort sah er den Gärtner mit Pflug und bekam Appetit, seine
Arbeit ausprobieren. Und so hat er den Gärtner in den Pflug eingespannt und hat
ein Beet geackert.
– Der Reichenberger Wald- und Landwirtschaftsverein gründete zur Ehren des
Kaiser Josephs den II. am Fuß des Isergebirges einen großen Park, den heutigen
Volgsgarten. Und hier hat er ihm ein fünf Meter hohes Denkmal mit der Büste,
aus Kanone-Bronze gegossen, aufgerichtet Während des Krieges endete die Büste am
Sammelplatz, wo sie sich mit einer weiteren berühmten Persönlichkeiten traf,
und zwar mit dem Denkmal von der Schriftstellerin Karoilína Světlá. Die Světlá
„überlebte“, aber der Kaisers Büste wurde Futter für Maschinenpistolen.
– Um eine weitere Erinnerung an die Monarchie haben sich die Angestellten des
Bezirksarchivs verdient. Es handelt sich um eine Schreibfeder, die der Sohn von
Franz Joseph den I., der Kronprinz Rudolph, benutzte. Als 13jähriger besuchte
er Reichenberg und assistierte bei der Eröffnung des Tuchmacherhauseses am
Altstädter Platz. Heute ist im Haus die Gaststätte „U Žabáka“ (Bei dem
Frosch-Männchen). Der Kronprinz hat sich in das Gedenkbuch verewigt und der
Vermerk samt der Schreibfeder endete im Reichenberger Bezirksarchiv. Dort wurde
beides nach hundert Jahren entdeckt. Der Kronprinz nahm sich im Alter von 30
Jahren aus unglücklicher Liebe das Leben.
DIE KREUZKIRCHE IN REICHENBERG
Am Sonntag, den 4. September, fand in der Kirche „Entdeckung des heiligen
Kreuzes“ in Reichenberg die feierliche heilige Messe anlässlich des 250.
Jubiläums von Einweihung der Kirche statt. Anwesend war u. a. auch der
General-Vikar der Leitmeritzer Diözese P. Stanislav Přibyl.
FEIERN IN REICHENBERG UND UMGEBUNG
– Am ersten Wochenende im September fand in Berzdorf das erste Fest statt. Es
waren keramische Werkstätte aufgestellt, man konnte eine Show auf dem Trampolin
bewundern, Buden mit gutem Essen und Trinken waren auch hier.
– Das nächste Wochenende war in Ruppersdorf bei der Bildkapelle wieder das
traditionelle Fest mit vielen Kiosks, Musik und Karussellen für Kinder.
– Am den letzten zwei Wochenenden im September und am Mittwoch, den 28.
September (Staatsfeiertag, Hl. Wenzel) fand auf den Plan unter dem Jeschken zum
ersten Mal das „Oktoberfest“ statt. Es wurden verschiedene Biersorten
ausgeschenkt, Fleischspezialitäten gegrillt und bei herrlichem Wetter spielten
für die Gäste einige Rock-Kapellen.
JABERLICH
Am 1. Oktober, bei herrlichem Altweibersommer, wurde das neue Riesenfass am
Jaberlich feierlich geöffnet. Mit der Seilbahn konnte man mit 50% Ermäßigung
von der Straße zwischen Langenbruck und Saskal hinauffahren. Die Kollaudation ist
früher, als geplant, abgelaufen, und so konnten viele Besucher das wieder
„angerollte“ Riessenfass noch im Oktober bewundern. Vor 37 Jahren haben die
Flammen eine der größten Sehenswürdigkeiten Reichenbergs liquidiert. Als damals
die Arbeiter die Dachpappe ausgewechselt haben, wollten sie sich die Arbeit
beschleunigen und haben die Pappe mit Benzin begossen und angezündet, damit sie
früher aufschmelzt. Dabei wurde die Holzkonstruktion angebrannt und mit ihr
unwiederbringlich der ganze Bau. Nach dem Andenken vom Ende des 19.
Jahrhunderts blieben nur der Untersatz, Ansichtskarten und kleine Modellen in Gärten der
Leute.
Das neue Riesenfass ist keine klassische Replik. Der Bau bewahrt die Form, aber
ist aus Beton, mit Holz belegt, dass er den Eindruck eines Fasses hervorruft.
Die Baumeister haben sich nach den Plänen des alten Hotels gerichtet. Aber die
Innenräume des Restaurants und Hotels sind extra eingerichtet, nicht laut der
ursprünglichen Vorlage. Das damalige Objekt war hohl, so dass die Leute im
Restaurant wirklich im Fass saßen. Das neue Restaurant für 80 Gäste und
gemütlichem Garten für 70 Personen ist offen bis zum abgerundeten Dach nur im
hinteren Teil. Anderswo ist ein normales Dach. Die Baumeister mussten eine
ganze Reihe von Problemen lösen, weil kein ähnlicher Bau in der Tschechei nicht ist.
Die Dachkonstruktion musste vom Hubschrauber angesetzt werden, weil die Technik
nicht hineingegangen ist. Das Restaurant hat eine Terrasse und Pension mit
vierzig Schlafstellen (elf Zweibettzimmer und vier Appartements). Es sind schon
jetzt viele Reservierungen, der Silvestertermin ist längst ausgebucht.
Zum Riesenfass knüpft sich eine mehr als hundertjährige Geschichte. Im Jahre
1898 fand in Wien die Ausstellung zum 50. Jubiläum der Herrschaft des Kaisers
Franz Josef des I. statt, die auch der Gastwirt des Restaurants „Bei drei
Linden“ aus Langenbruck, Wilhelm Hübel, besuchte. Dort bezauberte ihn das
Riesenfass, das als Weinstube diente. Nach beendigen der Ausstellung am 9.
Oktober hat er das Fass zusammen mit wohlhabenden Freunden gekauft, lasten es
zerlegen und mit vier Waggons in die Station Langenbruck transportieren; hier
blieb das Fass den ganzen langen Winter eingelagert. Inzwischen wurden am
Gipfel des Jaberlichs die notwendigen Flächenmeter gekauft und Mitte Februar fingen
die Arbeiten an. Für den Bau waren zwei hiesigen verantwortlich – der
Zimmermannmeister Anton Rösler aus Jaberlich und der Maurermeister Wilhelm
Rutchik aus Oberrosenthal. Zu Ostern sind aus Wien zwei Berater eingetroffen,
dass sie den richtigen Aufbau des Fasses beaufsichtigen. Die Arbeiter haben das
Fass in einem Monat aufgebaut und auch sein ursprünglicher Baumeister, der
Zimmermannmeister, ist angekommen, das Fass sich anzuschauen. Das Restaurant
öffnete am 18. Juni 1899. Das Fass war 14 Meter lang, hatte Durchmesser 12
Meter und Inhalt 10.238 Hektoliter. Es konnten 300 Leute hineingehen. Am Jaberlich
stand das Fass bis September 1974, wann es abgebrannt ist.
Das neue Fass ist der letzte große Bau im Ski Areal mit Sessellift und Bobbahn.
Das Ski Areal hat die erste Probesaison mit 60.000 Skifahrern und 20.000 Kinder
unter 100 cm, die umsonst fahren können, hinter sich. Das Areal kostete mehr
als 200 Millionen Kronen; es wurde von der EU mitfinanziert und Hermannsthal
beteiligte sich am Projekt mit fast einem Drittel. Damit das Areal überleben
kann, ist ganzjähriger Betrieb notwendig. So wurde ein Wasserbecken zum Baden
und künstlichen Schnee eingerichtet, kleiner Tierpark mit Ziegen, Damhirschen
und Mufflons wurde gegründet, eine offene Feuerstelle, wo sich die Leute
Bockwurste grillen können, gibt es auch. In unterer Station des Sesselliftes
befindet sich ein neues Restaurant in der Form einer Rotunde, im ähnlichen Stil
wie die Gebirgs-Alpen-Restaurants. Leider darf man mit dem Bus nicht
hinauffahren, nur mit den Personenwagen, zu Fuß gehen oder mit dem Sessellift
fahren.
Am Bild sieht man das Riessenfass noch vor der Kolaudation.
REICHENBERG
Am Töpferplatz wurde während der Erneuerung des Marktes eine 200 Jahre alte
hölzerne Wasserleitung entdeckt, die nicht beschädigt war. Hergestellt wurde
die aus mit Lehm behandelten Stamm eines Baumes, in dem 9 cm Loch für das Wasser
war – das Wasser in dieser Leitung ist gesunder als in den späteren Bleiröhrern.
Nach den Jahresringen des Stammes wird das genaue Alter der Wasserleitung
bestimmt.
Weil die Temperaturen draußen nicht mehr angenehm sein, wünsche ich allen umso
mehr Wärme in Herzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dagmar Neumann.